Es fehlt an Gründen!
Die Ausladung der Münchener Philharmoniker und ihres designierten Chefdirigenten Lahav Shani ist skandalös. Ein anderes Urteil verbietet sich von selbst. Noch skandalöser ist nur noch die Mitteilung des Flandern-Festivals in Gent, das Orchester könne gerne kommen, aber mit einem anderen Dirigenten. Ahnt im Verantwortungsbereich des Festivals niemand, was schon der Versuch anrichtet, einen Klangkörper – der Ausdruck ist hier bewusst gewählt – und seinen designierten Chefdirigenten derart zu spalten? Gibt es dort überhaupt noch so etwas wie eine Sensibilität im Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern? Oder hat man alle Sensoren, die im Management eines Kulturbetriebs vonnöten sind, rechtzeitig eingefahren, um zu einer so abwegigen Entscheidung wie dieser Ausladung zu kommen? Leider ist das zu befürchten. weiterlesen …
Städte und Kultur, der Kommunalwahlkampf in NRW
Am kommenden Sonntag sind Kommunalwahlen in NRW, zwei Wochen später werden viele Bürgermeisterkandidaten sich der Stichwahl stellen müssen. Obwohl der Anteil der Gemeinden an der öffentlichen Finanzierung von Kunst und Kultur im Vergleich zum Anteil der Länder und des Bundes immer noch am größten ist, erst recht in NRW, spielte das kulturelle Leben der Städte im Wahlkampf keine tragende Rolle. Allein die Bonner Oberbürgermeisterin der Grünen wagte beispielsweise auf ihren Wahlplakaten „Bonn gewinnt“ eine kleine Anspielung auf Ludwig van Beethoven, den großen Sohn der Stadt, indem sie einem der Plakate den Zusatz „feuertrunken“ hinzufügte. Köln leistete sich im Comedia-Theater hingegen eine Diskussion der OB-Kandidaten, in der die Beiträge eher durch allgemein gehaltene Statements oder Kuriositäten auffielen. Und die 30 Fragen des „Lokalomaten“ der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf enthalten etwa für die Städte Köln und Münster keine einzige kulturpolitische Frage, die die Nutzerin dieser Einrichtung beantworten könnte, um so festzustellen, welche Partei sie in der Kommunalwahl wählen soll. Spielen Kunst und Kultur in den Städten also in Zukunft keine Rolle mehr? weiterlesen …
Die Verunsicherung ist groß: Über den Umgang mit der Kunstfreiheit
Man kann über den Gastbeitrag, den der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer kürzlich in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht hat, und die darin zur Kunstfreiheit gemachten Äußerungen denken, was man will, ein Gutes hat dieser Text. Das Feuilleton diskutierte einmal mehr über die Freiheit der Kunst. Wie dringend notwendig das ist, war kaum irgendwo besser zu spüren als in einem kleinen Workshop, den der Deutsche Bühnenverein anlässlich seiner Hauptversammlung in Chemnitz Anfang Juni zum Thema Kunstfreiheit veranstaltet hat. Denn die dort spürbare Stimmung lässt sich kurzerhand mit nur einer Feststellung zusammenfassen: Die Verunsicherung ist groß und das dient alles anderem als der Freiheit künstlerischen Schaffens. weiterlesen …
Die Kultur im Koalitionsvertrag
Kaum war der Text des neuen zwischen CDU, CSU und SPD abgeschlossenen Koalitionsvertrags veröffentlicht, ließ die Kritik daran nicht lange auf sich warten. „Gemischte Gefühle unter Kulturschaffenden“ titelte der NDR. Die Zeitung „der Freitag“ hielt das, was der Vertrag zum Thema Kultur verkündete, für einen „Witz“ und die SZ sprach vom „Prinzip Weiterwurschteln“. Den Vogel schoss die FAZ mit ihrem harschen Urteil „beschämend arglos“ ab. Soweit ist also alles noch normal in deutschen Landen. Dass es bei der Veröffentlichung des Namens des neuen Kulturstaatsministers nicht sehr viel besser aussah, geschenkt. Von ihm soll hier nicht die Rede sein. Warten wir doch erst einmal ab, was er im Amt sagt und tut. Wenn uns Kulturleuten das nicht gefällt, sind wir doch wohl Frau, Manns oder divers genug, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Und um das ein wenig vorzubereiten, sollten wir das tun, was man mit Koalitionsverträgen am besten tut: Sie beim Wort nehmen. weiterlesen …
Die Kultur-GmbH
Seit das Land Berlin die Absicht geäußert hat, seine staatlichen Sprechbühnen (also Deutsches Theater, Volksbühne, Maxim Gorki Theater) in privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, nämlich in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umzuwandeln, beginnt aufs Neue die Diskussion über den Sinn und Unsinn solcher GmbHs. Wie üblich gibt es Widerstand aus den Reihen der Gewerkschaften. Denn die Belegschaft ist zurecht verunsichert. Andererseits gibt es in Deutschland viele Theater, die seit Jahrzehnten als GmbH organisiert sind. Dazu gehören beispielsweise die Staatstheater der Freien und Hansestadt Hamburg oder das Düsseldorfer Schauspielhaus. Grundsätzlich besteht also kein Grund zur Beunruhigung. Umso wichtiger ist es jedoch, auf einige Aspekte aufmerksam zu machen, die bei einer solchen organisatorischen Privatisierung zu beachten sind. weiterlesen …
Bürokratie in der Kunst
1992 hatte ich gerade mein Amt als Direktor des Deutschen Bühnenvereins angetreten, als mich dessen damalige Präsident August Everding zu einem Gespräch über meine künftigen Aufgaben nach München einlud. Wir trafen uns in seinem beeindruckenden Intendantenbüro im Prinzregententheater. Everding hielt sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern kam sogleich auf sein Herzensanliegen zu sprechen: Die Kunst und allem voran das Theater seien dringend aus den Fesseln gesetzlicher Vorschriften und der damit verbundenen Bürokratie zu befreien. Arbeitszeitregelungen und Vergaberecht, Tarifverträge und Haushaltsrecht, überzogene Sicherheitsvorschriften, unzählige zu beachtende Verwaltungsregelungen, alles Teufelszeug, das die Kunst beeinträchtige, wenn nicht sogar verhindere. Er wollte damals ein „Theatergesetz“, wie er es nannte, dessen einziger Zweck sein sollte, Gesetze für das Theater im Sinne der Kunstfreiheit außer Kraft zu setzen. weiterlesen …
Die Arbeitslosenversicherung für selbstständige Künstler, Illusion oder reale Option
Die Corona-Pandemie hat sich in den Lebenslauf vieler selbstständig tätiger Künstlerinnen und Künstler als schwerwiegende existentielle Erfahrung eingebrannt. Theater wurden geschlossen, Filme nicht mehr gedreht. Konzerte wurden abgesagt und fanden nicht statt. Galerien verkauften keine Bilder mehr. Künstler-Verträge wurden mit der Begründung Force Majeure (höhere Gewalt) aufgehoben. Die Kunstszene saß auf dem Trockenen. Vielen blieb nur noch das Arbeitslosengelds II, was in Wahrheit kein Arbeitslosengeld war, sondern eine soziale Unterstützung. Heute heißt es deshalb Bürgergeld und steht, wenn man manchen Wahlkampfparolen glauben darf, schon wieder auf dem Prüfstand. Umso lauter wurden damals die Forderungen nach einer echten Arbeitslosenversicherung für selbstständige Künstlerinnen und Künstler. Doch geht das überhaupt, jemanden, der selbstständig künstlerisch tätig ist, gegen Arbeitslosigkeit zu versichern? weiterlesen …
Weniger öffentliches Geld für Kunst uns Kultur? Ein Blick auf alt bekannte Vorschläge in neuen Gewändern
Der Berliner Kulturetat soll um 130 Millionen Euro gekürzt werden, und zwar nicht erst in drei Jahren, sondern bereits 2025. Auch andernorts sind erhebliche Kürzungen der öffentlichen Kulturförderung geplant, etwa im Haushalt der Stadt Köln. Werden diese Pläne Realität, sind die Auswirkungen erheblich. Bisweilen entsteht der Eindruck, dass die Kultureinrichtungen hierzulande zum ersten Mal mit dem massiven Rotstift konfrontiert werden. Denn in den vergangenen Jahren haben sich Kommunen, Länder und der Bund eher großzügig gezeigt, wenn es um die Finanzierung der Künste ging. Doch für diejenigen, die schon länger dabei sind, ist das aktuelle Szenario nicht mehr als ein in neuen Kleidern daherkommendes Déjà-vu. Umso wichtiger ist es, genauer hinzuschauen, was erneut auf die Tagesordnung der Debatte um die öffentliche Kulturförderung gesetzt wird. weiterlesen …
Ist 3sat entbehrlich? Zur Debatte über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Seitdem die Länder ihren neuen Staatsvertrags-Entwurf „zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ vorgelegt haben, herrscht Unruhe in der Kulturszene. Das ist nicht überraschend, denn was als Reformwerk pompös in Szene gesetzt wurde, entpuppte sich schnell als erneuter Versuch, das Angebot von ARD und ZDF deutlich zu reduzieren. Spätestens beim Lesen von § 28a des Entwurfs wird erkennbar, was ein wesentliches Ziel der Reformpläne sein soll: Der Abbau des Kulturangebots der Spartenprogramme von 3sat und arte. Die Neuformulierung des Absatzes 1 der genannten Vorschrift läuft auf nichts anderes hinaus als die Abschaffung von 3sat durch Integration dieses Programms in den deutsch-französischen Kulturkanal. Dass beide Kanäle jeweils Programme unter Beteiligung anderer europäischer Staaten sind, interessiert scheinbar niemanden. Wer sind schon Frankreich, Österreich und die Schweiz? Ist die Politik in Deutschland für weniger Kunst und Kultur im Fernsehen, wird vorausgesetzt, dass man das woanders nicht anders sehen wird. Dies ist eine Annahme, die zuvorderst für die politischen rechtsgerichteten Kräfte in Europa zutrifft, vor allem mit Blick auf das Aufsässige, das Rebellische, das Aufklärerische, die Diversität der Künste. Aber auch das spielt offenkundig hierzulande nur eine unbedeutende Rolle, wenn das Ziel ist, die Spirale der steigenden Rundfunkgebühr auf Biegen und Brechen aufzuhalten. weiterlesen …
Über Mindesthonorare in der Kunst
Es klingt nicht nur gut, es ist auch gut, dass sich bei der Frage der Mindesthonorare für Künstlerinnen und Künstler etwas tut. Öffentliche Förderung soll es nur noch geben, wenn bei der Umsetzung eines künstlerischen Projektes bestimmte Vergütungen gezahlt werden. Ist das nicht garantiert, entfällt die Möglichkeit der öffentlichen Förderung. Der Bund ist gerade vorangegangen, das Land Nordrhein-Westfalen ihm soeben gefolgt. In beiden Fällen werden die Mindesthonorare als Bedingungen in den Förderbescheiden etwa der Bundeskulturstiftung oder des Landes NRW festgeschrieben werden. Grundsätzlich ist die Begeisterung der Branche groß, aber es regen sich auch kritische Stimmen. weiterlesen …
„A Mentsh is a Mentsh.“ Der Antisemitismus und die Grundrechte, eine Diskussion in der Bundeskunsthalle
Der entscheidende Satz fiel am Schluss der Veranstaltung. „Die Meinungsfreiheit ist wie die Kunstfreiheit inhaltsneutral.“, hob der Rechtswissenschaftler Christoph Möllers hervor, der unter anderem aus Anlass der Antisemitismusdebatte über die documenta 15 im Auftrag Claudia Roths ein Gutachten über die Grenzen der Kunstfreiheit verfasst hatte. Er sage das durchaus mit einem gewissen Unwohlsein, fügte er hinzu, aber das sei der harte Preis, den man in der liberalen Ordnung zu zahlen habe. Ein drittes Mal ging es kürzlich im Rahmen der Gesprächsreihe der Bundeskunsthalle „A Mentsh is a Mentsh.“ um die öffentliche Antisemitismusdebatte, die vor allem in Deutschland teils mit fast unerträglichen Zuspitzungen geführt wird. Auch in der Bonner Runde lagen die Ansichten der beteiligten Diskutanten, neben Möllers der Antisemitismusbeauftragte der Hessischen Landesregierung Uwe Becker und die deutsch-palästinensische Journalistin Alena Isabelle Jabarine – mit israelischem Pass, wie sie ausdrücklich betonte – weit auseinander. Endlich einmal wurde aber das Feld dieses komplexen Themas bis an seine Grenzen gehend und dennoch in Ruhe ausgeleuchtet. weiterlesen …
Über Defizite am Theater und wie sie entstehen
Etwa drei Milliarden Euro öffentliche Förderung stehen hierzulande Stadt- und Staatstheatern einschließlich Landesbühnen jährlich zur Verfügung. Eine Menge Geld! Dennoch kommt es am Ende eines Haushaltsjahres immer mal wieder zu Defiziten. Manchmal liegt es an einem zu leichtfertigen Umgang mit den bereitstehenden Haushaltsmitteln durch die künstlerische Leitung, wie vor mehr als 30 Jahren seitens des mittlerweile verstorbenen Generalintendanten des Staatstheaters Stuttgart, Wolfgang Gönnenwein. Der hatte zur Finanzierung seiner künstlerischen Ambitionen die sogenannte Bugwelle erfunden, mit der man Schulden aus dem alten Haushaltsjahr in schöner und steigender Regelmäßigkeit unter Einsatz der öffentlichen Gelder des neuen Haushaltsjahrs finanzierte. Das brachte ihm angesichts seines vorsätzlichen Verstoßes gegen die öffentlichen Haushaltsregelungen sogar ein Strafverfahren wegen Untreue ein, das dann aber gegen Auflagen eingestellt wurde. Zuweilen ist die Ursache aber erfreulicherweise harmloser. Nicht selten liegt sie in einer strukturellen Unterfinanzierung, also einer nicht ausreichenden Ausstattung des jeweiligen Theaterhaushaltes mit öffentlichen Mitteln, vor allem dann, wenn unvorhersehbare Ereignisse eintreten und diese auf die Ausgaben (oder Einnahmen) durchschlagen. weiterlesen …
Europa, die Künste und eine bevorstehende Wahl zum Europaparlament
Maria Lassnig war eine großartige und ebenso eigenwillige österreichische Künstlerin. Soeben ist der Film über ihr Leben unter dem Titel „Mit einem Tiger schlafen“ in den Kinos angelaufen. In genialer Weise wird diese hochsensible Künstlerin dargestellt von der wunderbaren Schauspielerin Birgit Minichmayr. Es ist eine Sternstunde des Kinos, ein einzigartiges Wechselspiel zwischen hoher körperlicher Empfindsamkeit einerseits und stoischer Beharrlichkeit gegenüber einer manchmal allzu arrogant daherkommenden Welt der Galerien und Kuratoren andererseits. Allein die Szene im österreichischen Pavillon der Biennale in Venedig möchte man als Zuschauer nicht mehr missen. Maria Lassnig beklagt sich, sie könne bei der Lautstärke der ebenfalls dort installierten Videokunst ihre eigenen Arbeiten nicht „sehen“, und lässt dem einen fast dahingerotzten Vorwurf an den Kurator folgen, er habe sich ja nicht getraut, den Pavillon mit ihren Werken alleine zu gestalten. Welch eine Selbstbehauptung der eigenen Kunst! Doch hier soll es nicht um dieses cineastische Meisterwerk gehen. Vielmehr ist eine Einblendung vor Beginn des Films hervorzuheben, nämlich der Hinweis auf das Kulturförderprogramm der Europäischen Union, „Creative Europe“. Auch von dort floss offenkundig Geld für dieses sehenswerte Kinostück. weiterlesen …
Die Antisemitismusdebatte in der Kultur – ein Aufruf zu mehr Besonnenheit
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“, dichtete einst Heinrich Heine. Das Zitat geht mir zunehmend nicht aus dem Kopf angesichts einer immer mehr sich verschärfenden Antisemitismusdebatte im Kulturbetrieb. Die Anzahl der um Augenmaß bemühten Diskursteilnehmer befindet im freien Fall. Zuspitzungen allerorten! „Geht es ein bisschen kleiner, ruhiger, vorsichtiger?“, möchte man so manchem zurufen. Doch die (nicht nur) durch die sozialen Medien überhitzte Gesellschaft beginnt, sich daran zu gewöhnen, dass offenkundig nur noch die Übertreibung die gewünschte Aufmerksamkeit erzielt. Zunehmend entsteht ein Zustand der Vergiftung, der für den Kulturbetrieb verhängnisvoll ist. Deswegen ist Abrüstung das Gebot der Stunde. weiterlesen …
Antidiskriminierungsklausel und Code of Conduct: Über die Grenzen der Kunstfreiheit
Seit den Antisemitismus-Vorwürfen gegen die Documenta 15 führt die Kulturbranche hierzulande eine Debatte über die Freiheit der Kunst. Vor allem geht es um die Frage, in welcher Relation dieses hohe Gut unserer Verfassung zu anderen Rechten oder Wertvorstellungen steht. Begriffe wie Antidiskriminierung, Diversität, Rassismus und Antisemitismus bestimmen den Diskurs. Persönlichkeitsrechte und Menschenwürde werden der Kunstfreiheit entgegengesetzt. Während sich die Gesellschaft mehrheitlich auf bestimmte Rechte und Wertvorstellungen weitgehend verständigen kann, ist der Umgang mit ihnen in der Kunst umso schwieriger. weiterlesen …
Corona-Betrug bei den Salzburger Festspielen? Über den Sinn oder Unsinn von Strafanzeigen
Es ist ein beliebtes Mittel zur Erzielung von öffentlicher Aufmerksamkeit: Das Erstatten einer Strafanzeige. Jemand wendet sich an die zuständige Polizeistation oder an die Staatsanwaltschaft, um dort einen Sachverhalt mitzuteilen, mit dem angeblich eine Straftat begangen wurde. Soeben sind die Salzburger Festspiele von einer solchen Strafanzeige betroffen. Anlass sind Auseinandersetzungen über Gagenausfälle wegen der Corona-Pandemie. Ob Strafanzeigen dieser Art sinnvoll sind, ist mehr als fraglich. Oft sind sie auch nur eine unnötige Belastung des Justizapparates. weiterlesen …
Warum die Künstlersozialkasse für Kunst und Kultur auch nach 40 Jahren so wichtig ist
Kürzlich gab es in Berlin einen „großen Bahnhof“, wie es so schön heißt, wenn aus gegebenem Anlass viele Leute und einiges an Prominenz auflaufen. Es gab das 40-jährige Bestehen der Künstlersozialkasse zu feiern, ausgerechnet in der „Bar jeder Vernunft“. Gerade diese Tugend der Aufklärung kann man jedoch der KSK, wie sie verkürzt gerne genannt wird, nicht absprechen. Denn sie betreibt ein kompliziertes Versicherungsgebilde mit einer Renten-, einer Kranken- und einer Pflegeversicherung für selbstständige Künstlerinnen und Publizisten, und das mit einem hohen Maß an Sachverstand und Korrektheit. Und so bescheinigte der Bühnenlyriker Bas Böttcher zur Erheiterung des Geburstatgs-Publikums der Künstlersozialkasse „Bei all dem sich ständig mit Künstlern befassen, hast du dich nie verrückt machen lassen. Glanz und Pomp sind dir nie zu Kopfe gestiegen, du bist immer korrekt und nüchtern geblieben. Auch wenn die Klienten noch so krass fett rocken, du bleibst solide, sachlich und trocken.“ weiterlesen …
Sommerbespielung oder Sommerloch? Sollen die Theater im Sommer öffnen?
Ganz so einfach hat es die Kultur mit dem Sommerloch nicht. Wie immer gibt es zwar mal mehr mal weniger spektakuläre Inszenierungen in Salzburg oder Bayreuth, in Avignon und Aix en Provence. In Locarno werden die Filmfestspiele eröffnet und beim Piano-Festival in Roque d´Antheron reiht sich ein gut besuchtes Spitzenkonzert an das nächste. Auch sonst ist sommerlich einiges los hierzulande, von der Bachwoche in Ansbach über die Ruhrtriennale bis zum Musik Festival Schleswig-Holstein. Aber ein Ereignis wie die Documenta, die zuletzt den kulturpolitischen Erregungspegel auf dem Höhepunkt hielt? Fehlanzeige! Da nun fällt es dem Deutschen Kulturrat auf, dass es in Berlin gerade mal kein Theater gibt. Es sind Sommerferien. Nichts scheint da näher zu liegen, als zu fordern, die Schauspieler, Sängerinnen, Tänzer, Musikerinnen und wer sonst noch so im Theater beschäftigt ist, mögen doch mal raus aus der sommerlichen Hängematte. Damit endlich mal auch in der Hauptstadt etwas los ist. Deswegen soll Schluss sein in Zukunft mit den Sommerferien der Theater, nicht nur in Berlin, gleich in ganz Deutschland. Und schon gibt es im teils regnerischen, teils überhitzten August eine kleine Debatte. weiterlesen …
Die Kulturinstitution und ihre kaufmännische Geschäftsführung
Im Februar 2023 wurde der Abschlussbericht zur documenta 15 veröffentlicht, den das Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung dieser Ausstellung erstellt hatte. Mit Rücksicht auf die heftigen Antisemitismusvorwürfe gegen die Kasseler Veranstaltung war dieser mit Spannung erwartet worden und wurde dementsprechend auch ausführlich kommentiert. Man sah sich in den Antisemitismusvorwürfen hinsichtlich einzelner Ausstellungsstücke weitgehend bestätigt, betonte aber auch das Bemühen des Berichts, das kuratorische Konzept der künstlerischen Leitung nachzuvollziehen sowie das Spannungsverhältnis zwischen künstlerischer Freiheit und deren Grenzen aufzuzeigen. Eines blieb jedoch weitgehend unbeachtet: Das den Abschlussbericht verfassende Gremium hatte sich ausgiebig mit der Rolle der Generaldirektorin der Documenta gGmbH befasst. Es war dabei zu allgemeinen Erkenntnissen über die Aufgaben der kaufmännischen Leitung einer öffentlich getragenen Kulturinstitution gekommen. Diese Feststellungen lohnen ein genaues Hinsehen. weiterlesen …
Was zu beachten wäre. Ein Beitrag zur Reform von ARD und ZDF
Tom Buhrow hat kürzlich eine Rede gehalten. Darin ging es um die Reform von ARD und ZDF. Er sprach zwar nicht als WDR-Intendant und zurzeit amtierender ARD-Vorsitzender, wie er ausdrücklich betonte. So einfach ist es leider nicht. Man kann ja Ämter, die einem übertragen werden, nicht nach Bedarf einfach an- und ablegen wie einen Jägerhut. Oder sich mit einem Amt ausgestattet die Tarnkappe des Privaten überziehen, um bei öffentlicher Rede nicht aufzufallen. Nein, ein Intendant ist ein Intendant. Umso ernster muss man die Worte Buhrows und das, was er als Reformbedarf ausmachte, nehmen. Das gilt umso mehr, als es ziemlich wenig mit dem zu tun hat, was dem aufmerksamen Zuschauer im täglichen Umgang mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auffällt, um nicht zu sagen aufstößt. weiterlesen …
„Die Humanisierung der Organisation“ und was sie für Kultureinrichtungen bedeutet – eine Buchbesprechung
Es ließ die Kulturszene schon aufhorchen, als der Theaterkritiker der Süddeutschen Zeitung, Peter Laudenbach, zusammen mit dem Wirtschaftsethiker Kai Matthiesen und der Soziologin Judith Muster ein Buch mit dem Titel „Die Humanisierung der Organisation“ vorlegte. Denn kaum ein Titel hätte sich besser einfügen können in die allgemeine vor allem in Theatern und Orchestern geführte Debatte über Machtmissbrauch und Machtkontrolle, geht es doch in dieser Debatte vor allem um den Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor der sooft bemühten (eher eingeschränkten) Alleinherrschaft (einzelner) egomaner Intendanten und Intendantinnen. Bei genauem Hinsehen mögen jedoch manchem schon Zweifel am Nutzen des Buches gekommen sein, wenn es im Untertitel heißt: „Wie man dem Menschen gerecht wird, indem man den Großteil seines Wesens ignoriert“. Das liegt so gar nicht auf der Linie interner, oft sehr emotional geführten Auseinandersetzungen über die Struktur eines Kulturbetriebs. Umso mehr drängt es den interessierten Kulturbeobachter zu erfahren, was hinter der 250 Seiten starken Publikation steckt. weiterlesen …
Über kollektive Verantwortung in Kultureinrichtungen
Es ist in den letzten Jahren über die Macht der Intendantinnen und Intendanten viel geschrieben worden. Strukturveränderungen wurden gefordert, um ihre Befugnisse einzuschränken, zumindest stärkerer Kontrolle zu unterwerfen. Auch auf dieser Seite war davon schon die Rede (siehe am Schluss des Beitrags). Zunehmend wurde die Übertragung von Leitungsfunktionen auf ein Kollektiv als Allheilmittel angesehen. Das änderte sich schlagartig, als die Debatte über die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta fifteen hochkochte und sich die Frage nach der künstlerischen Verantwortung für die Ausstellung stellte. Die nämlich war dem indonesischen Künstler-Kollektiv ruangrupa übertragen worden, was es natürlich schwer machte, den einzelnen Kopf, der rollen sollte, zu finden. Am Ende traf es die Generaldirektorin Sabine Schormann, letztlich weniger, weil ihr für die inhaltliche Seite der Documenta tatsächlich die Verantwortung übertragen worden wäre (war wohl nicht), sondern mehr wegen ihres nicht unbedingt geschickten Umgangs mit dem Konflikt. Nun reden alle davon, man müsse die Documenta umstrukturieren, was sich natürlich immer gut anhört, aber noch lange nicht bedeutet, dass das Wie geklärt ist. weiterlesen …
Die Documenta und die Freiheit der Kunst
Anlässlich der documenta fifteen wurde in jüngster Zeit so viel wie schon lange nicht mehr öffentlich über das Thema Kunstfreiheit debattiert. So sehr es dabei auch um Politisches ging, zunächst ist diese Thema wohl ein juristisches. Denn die Freiheit der Kunst ist in Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz verankert und hat in der Geschichte dieser unserer deutschen Verfassung zahlreiche, meist sehr kunstfreundliche Gerichtsurteile des Bundesverfassungsgerichts hervorgebracht. Nicht jedem, der sich an der öffentlichen Debatte über die documenta fifteen und das dort gezeigte Bild People´s Justice von Taring Padi sowie dessen antisemitische Elemente beteiligte, schien sich dessen bewusst zu sein. Viel zu leichtfertig wurden Statements zu den Grenzen der Kunstfreiheit geäußert. Statt aus politischen Gründen das Abhängen des Bildes zu verlangen, leuchteten Politiker und Medien die Grenzen der Kunstfreiheit schlagwortartig aus, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Damit wurde der Versuch gemacht, für die Grenzen der Kunstfreiheit öffentlich Maßstäbe zu setzen, was schon deswegen scheitern musste, weil es wie so oft in solchen öffentlichen Diskursen an der notwendigen Differenzierung fehlte. weiterlesen …
Das Theatermodell Karlsruhe
Über Transformation in Kultureinrichtungen wird augenblicklich viel gesprochen und geschrieben. Was ihr Ergebnis sein soll, steht dabei eher theoretisch fest: Mehr Partizipation, mehr Transparenz, kollektivere Entscheidungsprozesse, Einschränkung von Machtbefugnissen. Wie dieses Ergebnis aber konkret zu gestalten ist, war bisher kaum Gegenstand der Debatte. Jedenfalls sei die herrschende Klasse in den Theatern, Orchestern oder Museen dagegen, heißt es, denn sie wolle von ihren Machtansprüchen angeblich nicht lassen. Die Führungskräfte versuchten Strukturanpassungen zu vermeiden, „um ihre eigene Stelle im System nicht zu gefährden“ (so in einem Beitrag auf der Internet-Seite des Deutschen Kulturrats). Eine ganz andere Sprache sprechen nun die neusten Umstrukturierungen am Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Dort hat kürzlich der Verwaltungsrat des Theaters nach einem langen und aufwendigen Entscheidungsprozess das „Theatermodell Karlsruhe“ im Einvernehmen mit der dortigen Theaterleitung verabschiedet. Beschlossen wurden keine großen Worte, beschlossen wurde das Ende der Generalintendanz zugunsten eines kollektiven Leitungsmodells. weiterlesen …
Putin oder nicht Putin? Die private Gesinnung und die Kündigung von Künstlerverträgen
Krieg in Europa! Russland hat die Ukraine überfallen. Seitdem stehen russische Künstlerinnen und Künstler in der ganzen übrigen Welt unter verschärfter Beobachtung. Nach der Haltung zu Putin und seinem menschenverachtenden Angriffskrieg werden sie befragt. Waleri Gergijew bei den Münchener Philharmonikern: Wegen mangelnder Distanz zu Putin gekündigt. Anna Netrebko: Aus gleichem Grund Absagen durch die Metropolitan Opera in New York und die Staatsoper Berlin. Es gibt heftige Debatten. Den einen sind jenseits des militärischen Eingreifens der Nato viele Mittel recht, von denen sie vermuten, damit Putin unter Druck setzen zu können. Die anderen warnen vor massiven Einschränkungen der Kunstfreiheit, argumentieren gegen jede Form der Gesinnungsschnüffelei. Doch wie ist die Rechtslage? Wie immer kompliziert! weiterlesen …
Hohe Erwartungen an die Bundeskulturpolitik
Es vergeht kein Bundestagswahlkampf, ohne dass Exponenten des deutschen Kulturlebens oder solche, die sich dafür halten, zwei Forderungen artikulieren: Erstens brauchen wir einen Bundeskulturminister (anstelle eines Staatsministers im Kanzleramt) und zweitens eine Kulturklausel im Grundgesetz. Zuweilen nehmen Parteien diese Forderungen herzlich gerne in ihre Wahlprogramme auf, wohl weniger, weil sie von den Forderungen überzeugt sind, sondern eher nach dem beliebten Motto: Klingt gut und kostet nichts. Der politische Fachjargon nennt so etwas Symbolpolitik. Statt sich also mit solchen eher an der Oberfläche verharrenden Forderungen zu befassen, ist zu fragen, was der Bund Wesentliches zum Kulturleben dieses Landes und vor allem zur Pflege der Künste beitragen kann und sollte. Die genannten Forderungen ablehnen, heißt also keineswegs, dass auf eine Bundeskulturpolitik zu verzichten wäre. Im Gegenteil! Es ist gerade am Anfang einer neuen Legislaturperiode sinnvoll, einmal mehr den Versuch zu machen, ihre Rolle zu definieren. weiterlesen …
Apps, VR-Brillen und andere Kultur-Videoprojekte aus Sicht des Urheberrechts
Mit allem Möglichen hatten die Theater (und andere Kultureinrichtungen) gerechnet, aber mit einer Pandemie, die ihnen für Monate die Säle zusperrt, sicher nicht. Also war guter Rat teuer. Dass Theater auf dem Bildschirm den Betrachter faszinieren kann, wollten viele zuvor nicht glauben. Ja, schon die Forderung, doch urheberrechtlich zumindest mal aufs Digitale vorbereitet zu sein, galt fast schon als eine Art Verrat an den Bühnenkünsten. Nun, kaum machte Corona die Runde, kamen die Bühnen des Landes gar nicht umhin, sich der Frage nach ihren digitalen Angeboten zu stellen. Vorbereitet war darauf fast niemand. Also wurde im Internet bereitgestellt, was man auf die Bildtonträger des Hauses vorsichtshalber aufgezeichnet hatte. Es folgten, als es mit der Pandemie länger dauerte, Streaming-Premieren. Das große Nachdenken im Sinne von „Was tun?“ begann. Nun reden alle über Apps, Virtual-Reality(VR)-Brillen und andere Projekte im Netz. Urheberrechtlich wirft das viele Fragen auf, denen so richtig bisher nicht nachgegangen wurde. weiterlesen …
Der Entwurf eines Kulturgesetzbuchs NRW, Meilenstein der Kulturförderung oder vages Versprechen?
Es klingt auf den ersten Blick eher sperrig: Kulturgesetzbuch NRW. Die Künste eingezwängt in eine Ansammlung von Statuten? Braucht das jemand? Sind die Künste nicht frei? Diese Freiheit zu sichern, dient die öffentliche Förderung, vor allem durch die Kommunen und Länder, natürlich auch durch den Bund. Doch gerade dieser Schutz der Freiheit reicht als Legitimation oft nicht aus. Gefordert wird dann, Kultur solle Pflichtaufgabe der Gemeinden werden, obwohl es die freiwilligen Aufgaben sind, die das Leben einer Stadt ausmachen. Das aber wird am Ende niemanden interessieren, wenn es demnächst in Stadt und Land um das liebe Geld geht, was coronabedingt fehlen wird. Deshalb ist es wichtig, sich den nun von der Landesregierung in NRW vorgelegten Gesetzentwurf einmal näher anzusehen. weiterlesen …
Über die Digitalisierung der Kulturangebote
Ich gestehe es offen: Nichts nervt mich zurzeit mehr als der Satz „Die Veranstaltung findet online statt.“. Es sei im kostenlosen Stream mal wieder zu sehen, was in normalen Zeiten Großartiges im Theater auf die Bühne gebracht oder als Ausstellung im Museum gezeigt würde. Zugleich wird ein Musiker, der die Menschen mit ebenfalls vergütungsfreien Twitter-Konzerten erfreut, zurecht bewundert und geehrt. Ja, als erste Reaktion auf die Kultur-Katastrophe Corona waren solche Angebote verständlich, sogar sinnvoll und geboten. Aber wie soll es weitegehen? So sicher nicht. Dafür stellen sich zu viele Fragen, die sich aber vor allem die Apologeten der Digitalisierung nicht stellen. Es ist deshalb höchste Zeit, es zu tun. weiterlesen …
Wohin die Reise führt? Über die Zukunft der Theater und die soziale Lage der Künstler
Die Theater sind vorläufig geschlossen. Wann es live wieder so richtig weitergeht mit Hamlet und Faust, mit Performativem und Literarischem, mit Oper, Konzert und Tanz weiß niemand. Auch nicht, ob es überhaupt einen Weg zurück gibt in die alte Routine. Manch einer sieht im augenblicklichen Stillstand eher eine Chance zu einer Art Neuanfang, zu einer Veränderung. Während, solche Erwartungen vor Augen, ein Teil der Theaterbelegschaft mit Kurzarbeitergeld und den öffentlichen Zuschüssen die Zeit finanziell abgesichert überbrückt, nimmt die Unruhe bei denen, die mit kurzfristigen Verträgen im Theater unterwegs waren, verständlicherweise zu. Also stellt sich umso mehr die Frage wie die Zukunft des Theaters aussehen mag, was gegebenenfalls für die Künstlerinnen und Künstler zu tun ist. weiterlesen …
