Europa, die Künste und eine bevorstehende Wahl zum Europaparlament

Maria Lassnig war eine großartige und ebenso eigenwillige österreichische Künstlerin. Soeben ist der Film über ihr Leben unter dem Titel „Mit einem Tiger schlafen“ in den Kinos angelaufen. In genialer Weise wird diese hochsensible Künstlerin dargestellt von der wunderbaren Schauspielerin Birgit Minichmayr. Es ist eine Sternstunde des Kinos, ein einzigartiges Wechselspiel zwischen hoher körperlicher Empfindsamkeit einerseits und stoischer Beharrlichkeit gegenüber einer manchmal allzu arrogant daherkommenden Welt der Galerien und Kuratoren andererseits. Allein die Szene im österreichischen Pavillon der Biennale in Venedig möchte man als Zuschauer nicht mehr missen. Maria Lassnig beklagt sich, sie könne bei der Lautstärke der ebenfalls dort installierten Videokunst ihre eigenen Arbeiten nicht „sehen“, und lässt dem einen fast dahingerotzten Vorwurf an den Kurator folgen, er habe sich ja nicht getraut, den Pavillon mit ihren Werken alleine zu gestalten. Welch eine Selbstbehauptung der eigenen Kunst! Doch hier soll es nicht um dieses cineastische Meisterwerk gehen. Vielmehr ist eine Einblendung vor Beginn des Films hervorzuheben, nämlich der Hinweis auf das Kulturförderprogramm der Europäischen Union, „Creative Europe“. Auch von dort floss offenkundig Geld für dieses sehenswerte Kinostück.

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In Europa mit der Kultur beginnen

Natürlich gab es auch an „Creative Europe“ Kritik. Zu strukturlastig, zu wenig künstlerisch. Was seien zudem schon ca. 2,5 Milliarden Euro für sechs Jahre, wenn man das mit der Kunstförderung der europäischen EU-Mitgliedstaaten vergleiche, hieß es zuweilen. Allein in Deutschland werden von Ländern, Kommunen und Bund für die Förderung von Kunst und Kultur jährlich ca. 15 Milliarden Euro ausgegeben. Und doch: Eingedenk der dem Wegbereiter der Europäischen Union, Jean Monnet, zugeschriebenen Worte „Wenn ich nochmals mit dem Aufbau Europas beginnen könnte, dann würde ich mit der Kultur beginnen.“ hat die EU lange schon entdeckt, wie wichtig Kunst und Kultur für die Gemeinsamkeiten, für den Zusammenhalt Europas sind. Intensiv arbeiten seit Jahren europäische Kulturverbände, wie beispielsweise Pearle* für den Bereich der darstellenden Künste (https://www.pearle.eu), daran, dieses Bewusstsein weiter zu stärken.

Über 20 Jahre hatte ich die Möglichkeit, im Executive Committee dieser Vereinigung, an deren Gründung auch der Deutsche Bühnenverein beteiligt war, mitzuarbeiten. In ihr kommen viele Europa-Enthusiasten aus dem Theater- und Musikleben der verschiedenen Ländern Europas zusammen, um sich für eine der Kunst dienende Europa-Politik einzusetzen. Musical und Oper, Tanz, Schauspiel und Kabarett, alles ist dort vertreten. Eines der großen Themen war immer und ist noch heute der künstlerische Austausch, zwischen den Ländern der Europäischen Union sowie zwischen Europa und der Welt. Mehr denn je muss dabei das Ziel sein, die Schlagbäume zu öffnen, um den kulturellen Dialog zu stärken. Denn wie wollen wir uns und die Welt verstehen, wenn wir nichts voneinander wissen. Das Lesen von Büchern ausländischer Autorinnen und Autoren, teils übersetzt mit Fördermitteln der EU, das Hören der Musik dieser Welt, der internationale Tanz, die länderübergreifende Kooperation von Theatern, große Festivals, Filme aus aller Welt, das alles ist ein Beitrag zur Verständigung, ein Weg zum friedlichen Miteinander, in der Europäischen Union und überall in der Welt. 

Kunst gegen rechts

Und wie lauten die kulturellen Rezepte vom rechten Rand des politischen Spektrums? Da ist die Rede von ideologischer Gängelung durch die EU, von Aushöhlung der nationalen Leitkultur, künstlerische Kooperationen werden unter den Generalverdacht eines von der EU angeblich ausgehenden Konformitätszwangs gestellt, abgelehnt werden Inklusion, Chancengleichheit, Diversität und Geschlechtergerechtigkeit. Das alles ist nichts anderes als eine Welt von gestern, eine Welt des Gegeneinanders, eine Welt ohne Suche nach Verständigung, eine Welt ohne Interesse an der Andersartigkeit anderer Kulturen. Eine kalte Welt frei von jeder Solidarität, darum geht es den Parteien rechts außen in Europa. 

Niemand, der als Bürgerin oder Bürger Europas an der Vielfalt der Kultur, an der Phantasie und der Kreativität der Künste interessiert ist, niemand der als Künstlerin oder als Künstler in Europa arbeitet, niemand, der Kulturpolitik für die Künste und für den künstlerischen Austausch macht, kann an einem solchen Roll back von rechts in die Welt der ewig Gestrigen interessiert sein. 

Lassen Sie uns also in Europa dafür sorgen, dass der bevorstehende Europa-Wahltag ein Tag für die Demokratie in Europa wird, ein Tag für die Freiheit im Allgemeinen und für die Freiheit der Künste im Besonderen, ein Tag der Verständigung gegen rechts unabhängig von der jeweiligen Sympathie für welche der demokratischen Parteien auch immer, ein Tag der Besonnenheit, der Aufklärung, des Verstandes. Das Gebot der Stunde: Wählen gehen für eine von Humanismus und Menschenwürde bestimmte Zukunft Europas, in Frieden und Freiheit.

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