Die menschliche Stimme, KI und das Persönlichkeitsrecht

Es ist soweit. Fünfzehn Sekunden einer gesprochenen Stimme müssen in eine KI-Software eingegeben werden, um eine menschliche Stimme zu imitieren oder, besser gesagt, zu klonen. Einer solchen geklonten Stimme kann per KI alles mögliche „in den Mund gelegt“ werden. Die Stimme spricht dann nicht mehr das, was die ihr zugehörige Person tatsächlich gesagt hat, sondern was ein Dritter ihr zugedacht hat. Gerade für Personen des öffentlichen Lebens, deren Stimme in den elektronischen Medien weit verbreitet ist, bedeutet diese technische Entwicklung ein hohes Risiko. Der Stimme eines Politikers können Aussagen unterlegt werden, die ihm in hohem Maße Schaden zufügen oder auch nur die öffentliche Meinungsbildung sachwidrig beeinflussen. Es wird möglich sein, die auf Tonträger aufgezeichneten Stimmen von Schauspielern und Schauspielerinnen zu Werbezwecke zu nutzen. Für den Rundfunk aufgezeichnete Stimmen können zum Sprechen anderer Texte eingesetzt werden. Das sind nur einige wenige Beispiele, die sofort die Frage aufwerfen: Ist das zulässig?

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Rechtliche Ausgangslage

Wie so oft lautet die Antwort: Nein, aber! Spätestens seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1.12.1999 – Aktenzeichen: I ZR 49/97 –, dem sogenannten Marlene-Urteil, steht unzweifelhaft fest, dass auch die menschliche Stimme Bestandteil des durch Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Zudem gehört die menschliche Stimme nach Artikel 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu den besonderen personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulässig ist. Grundsätzlich darf also die menschliche Stimme ohne Zustimmung ihres Trägers zur Wiederverwendung nicht in eine KI-Software eingegeben oder durch diese genutzt werden. Urheberrechtliche Aspekte (s. dazu https://stadtpunkt-kultur.de/2023/04/ist-kuenstliche-intelligenz-das-ende-des-urheberrechts-oder-was-man-dagegen-tun-muss/) können hier außer Betracht bleiben, da es gerade nicht um die gesprochenen Inhalte, sondern „nur“ um die Nutzung der Stimme geht. Jedoch kann das durch § 40 b UrhG erlaubte Text und Data Mining dazu führen, dass die menschliche Stimme bei einem öffentlich verfügbaren, gesprochenen Text zulässigerweise zum Füttern von KI genutzt wird und deshalb in der KI-Software verfügbar ist. Dann verhindert nur das eingangs erwähnte Persönlichkeitsrecht die Nutzung der Stimme für andere Zwecke. Denn davon, dass der Träger der Stimme durch sein öffentliches Sprechen ein Einverständnis mit einer solchen anderweitigen Nutzung seiner Stimme konkludent zum Ausdruck gebracht hat, kann nicht ausgegangen werden.

Die Hürden sind also im Alltagsgebrauch hoch. Keinesfalls kann ein Hörfunkveranstalter die Stimme einer Nachrichtensprecherin ohne deren Zustimmung zum fingierten Sprechen eines anderen Textes nutzen. Auch einem Theater oder dem Filmproduzenten sind diesbezüglich hinsichtlich der KI-Nutzung einer auf Tonträger aufgezeichneten Schauspieler-Stimme die Hände gebunden. Es wird sich die Frage stellen, ob diese Unternehmen sich in Zukunft in den Beschäftigungsverträgen eine generelle Zustimmung zur KI-Nutzung der Stimme erteilen lassen. Selbst wenn dies in der Praxis geschähe, würde es kaum weiterhelfen. Denn die Zustimmung zur Nutzung der elektronisch aufgezeichneten Stimme für einen anderen Text wird immer der konkreten Einwilligung des Trägers der Stimme bedürfen, will man seinem Persönlichkeitsrecht entsprechen. Wesentlicher Inhalt des Persönlichkeitsrechtes ist es eben gerade, dass mit der Stimme nur der Text gesprochen wird, den der Träger der Stimme auch sprechen will. Das gilt allenfalls dann nicht, wenn beispielsweise der Rundfunk die Stimme eines Nachrichtensprechers für das Sprechen von Nachrichten und nur für diese verwenden will; dann mag eine generelle Einwilligung des Trägers der Stimme gegebenenfalls genügen. Ob er diese dann zu welcher Vergütung einräumt, etwa einer Zahlung pro Nutzung, muss er im Zweifel entscheiden. Nichts anderes gilt für einen Schauspieler oder eine Schauspielerin, wenn sie ihre Stimme für eine wie auch immer geartete Nutzung durch KI freigeben möchte, etwa für die Synchronisierung von Filmen.

Eingeschränktes Persönlichkeitsrechts bei Personen des öffentlichen Lebens

Wer Person der Zeitgeschichte ist, hat beispielsweise nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG) wesentliche Einschränkung seines Rechts am eigenen Bild hinzunehmen. Zu den Personen der Zeitgeschichte gehören vor allem Politiker, Wissenschaftlerinnen, Schauspieler und Sportlerinnen, aber auch viele anderweitig Prominente. Sie müssen eher als eine Privatperson die Veröffentlichung von Bildern ihrer Person ohne ausdrückliche Zustimmung hinnehmen. Die Rechtsprechung hat aber nach dem von Caroline von Monaco erstrittenen sogenannten Caroline-Urteil des EuGH vom 24.6. 2004 – Aktenzeichen: 59320/00 – das Recht am eigenen Bild zulasten der Pressefreiheit deutlich gestärkt. Das gilt insbesondere für Fotos aus dem Privatleben der prominenten Personen. Abzuwägen ist nach dieser Rechtsprechung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gegen die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit. Dabei kommt es darauf an, ob es an den von der Presse veröffentlichten Fotos ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit gibt.

Einen deutlichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 26.10. 2006 – I ZR 182/04 – akzeptiert. In diesem Fall ging es um eine Klage des Politikers Oscar Lafontaine gegen den Auto-Vermieter Sixt. Dieser hatte in ironischer Weise auf den Rücktritt des damaligen Bundesfinanzministers anspielend ein Foto des Politikers (wie auch anderer Prominente) für Werbezwecke genutzt. Der BGH hielt das für gerechtfertigt, da die Anzeige nicht nur Werbezwecken diente, sondern eine öffentliche (kritische) Meinungsäußerung hinsichtlich der dargestellten Person sei. Dahinter habe das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen, eine, wie gesagt, sehr weitreichende Entscheidung zulasten der betroffenen Personen des öffentlichen Lebens. Auch der umstrittenen Vorsitzende der Lokführer-Gewerkschaft, Claus Weselsky, war davon betroffen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang noch einmal das oben schon erwähnte Marlene-Urteil. In ihm ging es um den Schutz der posthumen Persönlichkeitsrechte von Marlene Dietrich. Beanstandet wurde durch die Gerichtsentscheidung die Vermarktung ihres Namens und ihrer Person durch Merchandising-Produkte, die im Zusammenhang mit der Produktion eines Marlene-Musicals verbreitet und verkauft wurden. Das Musical, das der beklagte Musical-Konzern unter Verwendung von Musiktiteln der einstigen Diva aufgeführt hatte, war nicht Stein des Anstoßes, zumal die Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an diesen Titeln ordnungsgemäß erworben worden waren. Dass in dem Musical Marlene Dietrich einschließlich ihrer Stimme imitiert wurde, ist eben persönlichkeitsrechtlich unproblematisch. Davon profitiert jede Cover-Version eines berühmten Popsongs. Nichts anderes gilt für Kabarettisten, die die Stimme eines Politikers zu Zwecken der Parodie imitieren.

Auf entsprechender Linie liegt das Urteil des BGH vom 24.2.2022 – I ZR 2/21. Hier ging es um die Imitation einer Show von Tina Turner, die seinerzeit noch lebte. In dieser Entscheidung heißt es: „Die Werbung für eine Show, in der Lieder einer prominenten Sängerin von einer ihr täuschend ähnlich sehenden Darstellerin nachgesungen werden, mit einem Bildnis der Darstellerin, das den täuschend echten Eindruck erweckt, es handele sich um die prominente Sängerin selbst, ist grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt.“ Dies inkludierte: Für die Show selbst kann nichts anderes gelten.

Aus dieser Rechtsprechung lässt sich nur ein Schluss ziehen. Das Persönlichkeitsrecht von prominenten Persönlichkeiten bietet keinen absoluten Schutz, auch nicht, wenn es um ihre Stimme geht.

Die Nutzung der Stimme von Prominenten durch KI in der Kunst

Nun ist die Nutzung eines tatsächlich existierenden Fotos oder die Nachahmung einer Stimme durch einen Kabarettisten noch etwas anderes als das Einspeisen der Stimme in eine KI-Software und ihre Nutzung für von dieser Stimme tatsächlich nicht gesprochenen Worten und Sätze. In der Regel bleibt es dabei, dass das auch die Persönlichkeitsrechte von prominenten Personen verletzt. Denkbar sind zwei davon abweichende Fälle.

Nehmen wir an, man lässt eine prominente Person mit KI einen Text sprechen, der zwar von ihr verfasst ist, aber nicht von ihr gesprochen wurde. Selbst dann wird man in der Regel von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ausgehen müssen. Denn durch die Stimme kann der jeweilige Satz eine sehr unterschiedliche Bedeutung bekommen oder zumindest abweichende Wirkung entfalten. Das hängt sowohl von der Betonung als auch von der Art des Sprechens ab.

Viel schwieriger ist der zweite Fall zu beurteilen. Unter Berufung auf die Kunstfreiheit wird eine Stimme in eine KI-Software eingespeist und zu künstlerischen Zwecken für von dieser Stimme nicht gemachte Aussagen genutzt, vor allem etwa für eine Parodie. Dies muss möglich sein, will man der Kunstfreiheit im Zusammenhang mit der Nutzung von KI nicht sogleich einen Riegel vorschieben. Die denkbaren Fälle werden jedoch so unterschiedlich sein, dass sich eine Kategorisierung verbietet. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die durch Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützte Freiheit der Kunst dem Persönlichkeitsrecht vorgeht oder nicht.

Diese Betrachtungsweise deckt sich auch mit Artikel 52 der im Verabschiedungsprozess sich befindenden KI-Verordnung der Europäischen Union. Die genannte Vorschrift sieht in Abs. 3 bestimmte Kennzeichnungs-Verpflichtungen vor, wenn KI zur Erzeugung oder Manipulation von Inhalten genutzt wird. Geschieht dies im Rahmen eines künstlerischen Prozesses, so gilt mit Artikel 52 Abs. 3 des EU-Verordnungsentwurfs eine Sonderregelung. Sie lautet: „Ist der Inhalt Teil eines offensichtlich künstlerischen, kreativen, satirischen, fiktionalen, analogen Werks oder Programms, so beschränken sich die in diesem Absatz genannten Transparenzverpflichtungen auf die Offenlegung des Vorhandenseins eines solchen künstlich erzeugten oder manipulierten Inhalts in einer angemessenen Weise, die die Darstellung oder den Genuss des Werks nicht beeinträchtigt.“ Damit wird der künstlerischen Nutzung auch der Stimme eines Prominenten durch KI die Tür weit aufgestoßen. Befreit ist der KI-Anwender jedoch von der Kennzeichnungspflicht auch dann nicht, wenn es um die Kunst geht, es ist aber eine deutliche Zurückhaltung erlaubt. So wird es etwa bei einer Theater-Aufführung reichen, wenn im Programmheft oder durch einen Aushang, bei einer Museums-Ausstellung im Katalog auf die KI-Anwendung hingewiesen wird.

Schlussbemerkung

Es zeigt sich, dass das Persönlichkeitsrecht (auch von Prominenten) eine starke Wirkung entfaltet, wenn ihre Stimme durch eine KI-Anwendung genutzt werden soll. Am ehesten kommt es zu einer Einschränkung dieses Rechts im Falle der künstlerischen Anwendung von KI. Gerade bei einer Nutzung im Internet wird sich aber die Rechtsverfolgung – wie auch bei anderen Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz – als schwierig erweisen. Auf Manipulationen im öffentlichen Raum wird man in Zukunft gefasst sein müssen. Das gilt vor allem angesichts zahlreicher Bestrebungen nicht demokratischer Systeme in der Welt, den öffentlichen Meinungsbildungsprozess zulasten der demokratischen Willensbildung zu beeinflussen. Jedem Versuch, sich dabei hinter dem Vorwand der Parodie zu verstecken, ist möglichst effektiv Einhalt zu gebieten.

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