Die Kultur-GmbH

Seit das Land Berlin die Absicht geäußert hat, seine staatlichen Sprechbühnen (also Deutsches Theater, Volksbühne, Maxim Gorki Theater) in privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, nämlich in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umzuwandeln, beginnt aufs Neue die Diskussion über den Sinn und Unsinn solcher GmbHs. Wie üblich gibt es Widerstand aus den Reihen der Gewerkschaften. Denn die Belegschaft ist zurecht verunsichert. Andererseits gibt es in Deutschland viele Theater, die seit Jahrzehnten als GmbH organisiert sind. Dazu gehören beispielsweise die Staatstheater der Freien und Hansestadt Hamburg oder das Düsseldorfer Schauspielhaus. Grundsätzlich besteht also kein Grund zur Beunruhigung. Umso wichtiger ist es jedoch, auf einige Aspekte aufmerksam zu machen, die bei einer solchen organisatorischen Privatisierung zu beachten sind.

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Die Gebietskörperschaft als Gesellschafter

Wichtig ist es, dass bei der Umwandlung der Trägerschaft staatlicher oder städtischer Kulturbetriebe in eine private Rechtsform die Verantwortung der jeweiligen öffentlichen Gebietskörperschaft(en) für die jeweilige Kultureinrichtung nicht aufgegeben wird. Eine solche öffentliche Verantwortung geht weitgehend verloren, wenn das Theater in eine echte private GmbH derart überführt wird, dass nur noch Privatpersonen oder -unternehmen als Gesellschafter fungieren. Das mag im Einzelfall funktionieren, etwa bei der Berliner Schaubühne, wo dies eine lange Tradition hat. Als generelles Modell taugt eine solche Konstruktion nicht. Denn sie reduziert die öffentliche Verantwortung für das Theater auf die mehr oder weniger umfangreiche öffentliche Finanzierung. Eine echte Verantwortung der öffentlichen Hand für den Kulturbetrieb setzt aber die formelle und direkte Beteiligung des Landes oder der Stadt an der Trägerschaft in Form des Gesellschafterstatus voraus. Soweit man hört, ist in Berlin auch nichts anderes geplant.

Öffentliche Zuschüsse und Insolvenz

Es ließe sich einwenden, eigentlich gehe es nur ums Geld. Würden die öffentlichen Zuschüsse für das Theater deutlich gekürzt, könne der Spielbetrieb so oder so nicht oder nicht vollständig aufrechterhalten werden. Insofern sei die Organisationsform egal. Doch so einfach ist es nicht. 

Werden einem als Regie- oder Eigenbetrieb organisierten Theater die Mittel entzogen, bleiben Stadt oder Land zunächst auf den Kosten sitzen. Denn der Vertragspartner aller Verträge, die das Theater abgeschlossen hat, ist und bleibt der Träger, also die Stadt oder das Land. Eine Insolvenz des Theaters kann in diesem Fall gar nicht eintreten. Vielmehr muss der Träger alle vom Theater abgeschlossenen Verträge erfüllen. Er muss die bestellten Waren bezahlen und abnehmen. Er muss die vereinbarten Dienstleistungen zumindest vergüten. Die Arbeitsverträge, die der Regie- oder Eigenbetrieb stets im Namen des Trägers abschließt, müssen von Stadt oder Land fortgeführt werden. Sie können nur nach den harten Regeln des Kündigungsschutzgesetzes, unter Umständen mit langer Kündigungsfrist, gekündigt werden. Nichtverlängerungsmitteilungen beim künstlerischen Theaterpersonal haben einen langen Vorlauf und sind rechtlich hoch kompliziert (s. https://stadtpunkt-kultur.de/2020/12/wie-sozial-sind-der-befristete-arbeitsvertrag-und-das-nichtverlaengerungsrecht-im-deutschen-theater/). Manche Arbeitsverhältnisse sind auf Grund tariflicher Vereinbarungen gar nicht mehr zu beenden. Diese finanziellen Belastungen entstehen, obwohl das Theater nicht mehr spielt, ein Umstand, der bei den Rechnungsprüfern auf wenig Gegenliebe stoßen wird. Das alles muss man als Politiker, also als Bürgermeister oder Ministerin, als Stadtrat bzw. Landtagsabgeordnete erst einmal durchstehen, vor allem wenn man selbst noch die Entlassung von mehreren hundert Theatermitarbeitern umzusetzen und öffentlich zu vertreten hat. Angenehm ist das nicht und politisch zustimmungsverdächtig auch nicht. Da betriebt und finanziert man doch lieber das Theater weiter.

Ganz anders stellt sich die Situation bei Theatern dar, die in Form einer GmbH organisiert sind. Kann ein GmbH-Theater seinen finanziellen Verpflichtungen wegen des ganz oder teilweisen Wegfalls der öffentlichen Gelder nicht mehr nachkommen, muss es Konkurs anmelden. Vertragliche Vereinbarungen werden dann nur in dem Umfang bedient, in dem Geld vorhanden ist. Entscheidend ist aber: Das Insolvenzverfahren erleichtert die Kündigung von Arbeitsverträgen jenseits aller tariflichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Es gibt also bei Insolvenz ein Sonderkündigungsrecht. Zudem werden alle Kündigungen vom Insolvenzverwalter ausgesprochen, also letztlich von einer neutralen Instanz. Niemand muss sich die Hände schmutzig machen und selbst kündigen. Umso wichtiger ist es, dass die öffentliche Hand als Gesellschafter an der Theater-GmbH beteiligt ist, weil sie sich so zumindest der auch formellen Mitverantwortung für das Konkursverfahren nicht ganz entziehen kann. Diese sollte dann im Gesellschaftsvertrag durch eine Klausel untermauert werden, die die Gesellschafter zur auskömmlichen Finanzierung des von ihnen getragenen Kulturbetriebs verpflichtet. Auch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag, die die Träger im Falle der Insolvenz des Kulturbetriebs zur Übernahme der Beschäftigungsverträge zwingt, kann sich im Einzelfall als nützlich erweisen.

Arbeitsverträge und Betriebsübergang

Wird die Trägerschaft eines Kulturbetriebs in eine GmbH umgewandelt, gehen die Arbeitsverhältnisse nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die GmbH über. Dagegen hat jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin ein Widerspruchsrecht. Wer davon Gebrauch macht, wechselt nicht in die GmbH, sondern bleibt bei Stadt oder Land angestellt. Das aber nützt wenig, denn der jeweilige Träger hat dann das Theater auf die GmbH übertragen, hat also für die nicht von der GmbH übernommenen Angestellten keine Verwendung mehr. Zwar bestimmt § 613 a Abs. 4 BGB, dass weder der alte noch der neue Arbeitgeber wegen des Betriebsübergangs kündigen darf. Andere Kündigungsgründe bleiben aber ausdrücklich unberührt. Zudem laufen beim künstlerischen Personal ohnehin veranlasst durch die Nichtverlängerungsmitteilung nur befristete Arbeitsverträge aus, gekündigt werden muss gar nicht. Die Stadt oder das Land wird also letztlich doch alle die Beschäftigten entlassen, die nicht mehr direkt beim Träger eingesetzt werden können. Zwar muss in einigen Fällen geprüft werden, ob eine andere Verwendungsmöglichkeit innerhalb der Verwaltung besteht. Dies wird aber kaum der Fall sein, wenn viele Theaterbeschäftigte dem Übergang ihrer Arbeitsverträge auf die GmbH widersprochen haben. Man kann es drehen und wenden wie man will: Für die Arbeitnehmerseite ist die Trägerschaft der GmbH mit größeren Unsicherheiten verbunden. Das Widerspruchsrecht gegen den Übergang des Arbeitsvertrages auf die GmbH ist zumindest im Kulturbereich ein Rohrkrepierer.

Tariferhöhungen

§ 613 a Abs. 1 BGB schreibt jedoch wenigstens vor, dass im Falle des Betriebsübergangs, d.h. der Übertragung eines Kulturbetriebs auf eine GmbH, die Tarifverträge, die bisher für das übergehende Arbeitsverhältnis Anwendung fanden, mit auf die GmbH übergehen. An den Theatern gelten also der TVöD bzw. der TV-L für das nicht-künstlerische Personal sowie der Bühnentarifvertrag NV Bühne und der Orchestertarifvertrag TVK in der neuen GmbH weiter. In der Regel führt das auch zur Übernahme der für die genannten Tarifbereiche zukünftig vereinbarten Tariferhöhungen. Dies gilt vor allem im künstlerischen Bereich, weil nach der Satzung des Bühnenvereins die dortige Mitgliedschaft des Theaters für die neu gegründete GmbH bestehen bleibt.

Es ist jedoch bei einzelnen GmbH-Gründungen ein besonderes und unerwartetes Haushaltsproblem aufgetreten. Ist das Theater ein Regiebetrieb der Stadt oder des Landes, sind die Personalkosten des Theaters Teil des städtischen bzw. staatlichen Personaletats. Bei Tariferhöhungen wird dieser pauschal im Umfang des vereinbarten Prozentsatzes angehoben, was oft dazu führt, dass auch das Theater automatisch die für die Tariferhöhung notwendigen Haushaltsmittel eingestellt und zugewiesen bekommt. Ist das Theater eine GmbH, gibt es im städtischen Haushalt einen eigenen Titel für das Theater, der auch dessen Personalkosten umfasst. Dieser Titel wird dann aber nicht durch die Erhöhung der städtischen Personalkosten miterhöht, sondern die entsprechende Erhöhung ist zusätzlich in den Haushalt einzustellen. Dies wird dann gerne vom Kämmerer oder dem Finanzminister vergessen, manchmal aber auch ausdrücklich abgelehnt. Dann muss das Theater die erhöhten Lohnkosten aus dem eigenen Etat finanzieren.

Mehr Freiheit

Für die GmbH spricht vor allem, dass ein als solche organisierter Kulturbetrieb nicht mehr derart in die öffentliche Verwaltung eingebunden ist, wie das bei einem Regie- oder Eigenbetrieb der Fall ist. Doch oft bekommen die Träger dann, wenn sie ein Theater in eine GmbH umwandeln, so etwas wie die Angst vor der eigenen Courage. Gerne werden dann die Freiheiten, die man dem Kulturbetrieb lassen wollte und sollte, über den Gesellschaftsvertrag oder den Zuwendungsbescheid, mit dem der GmbH die öffentlichen Mittel zugesagt werden, wieder eingeschränkt. Als Beispiel sei auch hier die Verpflichtung zur Anwendung des Vergaberechts selbst dort, wo das nicht zwingend ist, genannt (s. https://stadtpunkt-kultur.de/2022/02/vergaberecht-und-kunst-ueber-die-unterschwelle-im-kulturbetrieb/).

Als besonders problematisch erweisen sich in diesem Zusammenhang die Muster-GmbH-Verträge, die viele Träger jenseits des Kunstbetriebs entwickelt haben. Die für die Finanzen zuständigen Kämmerer oder Finanzministerien geben dann unmissverständlich vor, dass diese Musterverträge bei sogenannten Ausgründungen, also der Übertragung von städtischen und staatlichen Aufgaben auf eine GmbH, anzuwenden sind. Oft enthalten diese Musterverträge jedoch eher kunstfeindliche Regelungen. Dazu gehört beispielsweise die Bestimmung, dass die Geschäftsführung der GmbH, meist (zumindest teilweise) identisch mit der künstlerischen Leitung, den Weisungen des Aufsichtsrats Folge zu leisten hat. In künstlerischen Fragen öffnet dies dem Eingriff des Aufsichtsrats in den Spielplan und in Besetzungsfragen Tür und Tor. Dem steht nicht nur die übliche Gestaltung der Intendantenverträge entgegen, mit denen die künstlerische Leitung des Hauses dem Intendanten oder der Intendantin übertragen wird. Dies widerspricht bei einer Besetzung des Aufsichtsrats mit Vertretern des Trägers auch der verfassungsrechtlich garantierten Kunstfreiheit. Und wer derzeit beobachtet, wie in den USA die dortige politische Führung versucht, auf Wissenschaft, Forschung und Kultur inhaltlich zuzugreifen, dem kann bei solchen gesellschaftsvertraglich abgesicherten Zugriffsrechten des Aufsichtsrats auf die künstlerischen Inhalte nur angst und bange werden. Deshalb sollte man sich nicht blind auf die bestehenden Muster-GmbH-Verträge verlassen. Vielmehr ist genau zu prüfen, welche dort enthaltenen Regelungen gegebenenfalls den künstlerischen Aufgaben der Kulturinstitution entgegenstehen und deshalb nicht zur Anwendung gelangen sollten.

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass die Ausgliederung eines städtischen oder staatlichen Kulturbetriebs in eine GmbH durchaus ihre Tücken hat. Diese können freilich vermieden werden. Dazu bedarf es aber des notwendigen politischen Willens und der hohen Aufmerksamkeit sowie eines gewissen Durchsetzungsvermögens der von der organisatorischen Veränderung betroffenen Institution. Blindes Vertrauen in die Organisationsform der GmbH ist ebenso wenig angebracht wie eine trotzige Verweigerungshaltung. Wie immer lassen sich die Probleme lösen. Was es dazu braucht, ist eben der gute Wille aller Beteiligten, vor allem aber ein sensibles Verständnis der politisch Verantwortlichen für die besonderen Belange einer der Kunst verpflichteten Einrichtung.

Siehe auch: https://nachtkritik.de/recherche-debatte/thomas-heskia-theater-privatisierung

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