Thomas Gottschalk brachte es selbst auf den Punkt, als er bei der Vergabe des Opus Klassik schonungslos einräumte, seine moderierenden Gespräche zum Bereich Klassik seine doch wohl eher „Flachgespräche als Fachgespräche“. Dem kann man nur zustimmen, was die Frage aufwirft, warum die Programmverantwortlichen ihn denn überhaupt moderieren ließen. Der Grund dafür war schnell ausgemacht. Die als beste Nachwuchssängerin zurecht ausgezeichnete Nadine Sierra begann den Reigen der Auftritte mit „There is a place for us“ aus der West Side Story. Es ging dem ZDF also ums Populäre. Ausgefallenes traut man sich kaum, obwohl die vergebenen Preise das hergegeben hätten. Von zeitgenössischer Musik keine Spur. Sicher hätte ein Pianist wie Igor Levit auch anderes spielen können als Beethovens Mondscheinsonate.
Überhaupt droht ein solcher Abend stets in eine Art Häppchenkultur zu verkommen. Natürlich, Preisverleihungen muss es auch in der Kultur geben. Sie machen auf die außergewöhnliche Kulturlandschaft in Deutschland aufmerksam. Aber Preisvergaben sind auch in der Kunst ein schwieriges Genre. Wie gelingt es, ausgefallene Künstler angemessen zu präsentieren? Wie kommt die Moderation über ein eher langweiliges Geplauder oder noch schlimmer über die Rolle des „Nummerngirls“ hinaus? Was mutet man an künstlerischer Darbietung dem Zuschauer zu. Und wie vermeidet man es, dass die Preisträger sich mit Allgemeinplätzen für die Preisvergabe bedanken, wie erreicht man, dass sie mehr von sich geben als der Dank an die liebevolle Großmutter?
Zumindest in diesem Punkt hatte der Abend im ZDF etwas zu bieten. Igor Levit widmete den Preis nicht nur den beiden Toten des rechtsradikalen Anschlags in Halle, sondern auch „all denen, die seit Jahren still oder laut gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus, gegen Islamophobie und gegen Antifeminismus kämpfen“. Das waren deutliche Worte, wie sie auch in ihrer Dankesrede geäußert wurden von so wunderbaren Sängern wie Klaus Florian Vogt („Ich möchte mich dafür aussprechen, dass wir Toleranz gegenüber dem Neuen haben, und mich gegen Ausgrenzung aussprechen“) oder Christian Gerhaher („Den Künsten kann man es nicht verdenken, wenn sie es nicht hinnehmen, dass Politiker von alternativen facts reden oder dass sie die historisch einzigartige Schuld des Nationalsozialismus … als Vogelschiss verharmlosen“).
Warum hingegen Klaus Florian Vogt im Wagner-Kostüm auftrat, erschloss sich dem Fernsehzuschauer nicht, denn jedenfalls in der Fernsehübertragung gab es von ihm keinen gesanglichen Beitrag aus den prämierten „Meistersingern“ der Bayreuther Festspiele. Man fragte sich umso mehr, wo denn der eher unkonventionelle Regisseur dieser Produktion, der Australier Barrie Kosky blieb. Ihn nun lobte der Moderator mit einer kleinen Breitseite gegen die Bayreuther Festspiele: „Ich habe in Bayreuth viele Inszenierungen gesehen, die ich gerne verpasst hätte, und eine verpasst, die ich gerne gesehen hätte“. Da würde es interessieren, wen Thomas Gottschalk denn da so alles im Auge hatte. Der künstlerischen Arbeit in Bayreuth wird jedenfalls eine solche pauschale Aburteilung nicht gerecht.
Eine Preisverleihung leidet im Übrigen, wenn es zu viele Preise gibt. Warum 24 Kategorien ausgezeichnet werden müssen, ist des Guten zu viel. Weniger wäre mehr. Und dabei ist künstlerischer Mut gefragt, vor allem auch im Rahmen der Preisverleihung. Vielleicht sollte man sich ohnehin überlegen, ob die Übertragung einer solchen Verleihungsveranstaltung im Fernsehen sinnvoll ist. Ein schöner zusammenfassender Bericht über die ausgezeichneten Künstler mit Kurzeindrücken aus der Preisverleihung ist meist interessanter. Am besten wäre es aber, entschiede sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk öfter dazu, mal eine ausgefallene Opernaufführung im abendlichen Hauptprogramm zu zeigen. Die ist meistens spannender als jede Preisverleihung.
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