Brauchen wir wegen des Echopreises eine Debatte über die Freiheit der Kunst?

Seit der Vergabe des Echo 2018 an Kollegah und Farid Bang ist die Aufregung über deren Texte groß. Zurecht, das kann man nicht oft genug sagen. Doch nun beginnen einige eine Diskussion um die Kunstfreiheit und deren Grenzen. Da aber ist Vorsicht geboten.

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Es ist keine Frage: Die Texte der Rapper Kollegah und Farid Bang verletzen den Anstand, sind gekennzeichnet von Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Sexismus und enthalten antisemitische Elemente. Sie sind geschmacklos und weitgehend unerträglich. Warum sie auch immer geschrieben werden, als Provokation, um zu schockieren oder auch nur aus kommerziellen Gründen, kann letztlich hier dahinstehen. Wer halbwegs seinen Verstand beieinander hat, kann sie nur ablehnen. Den Echopreis hätten die beiden Rapper nie bekommen dürfen.

Dennoch ist der wirtschaftliche Erfolg der Rapper nicht zu übersehen. Also ist die Frage, was wen veranlasst, das alles zu konsumieren. Offenkundig gibt es in der Gesellschaft eine Stimmung im besten Fall der Gleichgültigkeit gegenüber den beschriebenen Inhalten, die schon zu großer Besorgnis Anlass gibt. Noch und bei weitem schlimmer wäre es, wenn die Inhalte auf Zustimmung stießen. Ausschließen kann man das in Teilen der Gesellschaft heute nicht mehr. Umso mehr ist es erforderlich, dem Phänomen des Interesses an den Rapsongs und des damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolgs nachzugehen. Insofern hat die jetzige Debatte auch etwas Gutes. Man hätte sich allerdings manches Engagement von denen, die an der Echopreisvergabe beteiligt sind, etwas früher gewünscht, also eher als Auslöser der Debatte anstelle eines Rücktritts erst im Zuge der entstandenen öffentlichen Empörung. Und wieso gab es in der Veranstaltung am 12. April in Berlin keine standing ovations für Campino?

Natürlich darf man auch fragen, ob das, was Kollegah und Farid Bang da abliefern, Kunst ist? Vielleicht spart man sich das aber besser, weil diese Frage die Texte nur aufwertet. Von Interesse ist sie nämlich erst, wenn sich jemand entscheiden würde, gegen die Texte juristisch vorzugehen. Dazu bedürfte es der Anzeige eines Betroffenen wegen Beleidigung oder seiner Klage vor dem Zivilgericht, wegen der Verletzung eigener Persönlichkeitsrechte, auf Unterlassung der Verbreitung der Texte und Songs sowie ihrer öffentlichen Wiedergabe. Oder des juristischen Vorgehens der Staatsgewalt gegen diese Verbreitung und öffentliche Wiedergabe, etwa weil der Tatbestand des § 130 Strafgesetzbuch, also der der Volksverhetzung, erfüllt wäre. Dann nämlich erst müsste geklärt werden, ob die Kunstfreiheit die Texte vor einem juristischen Zugriff schützt. Solche juristischen Schritte aber haben bisher nicht stattgefunden, wohl wissend, dass das Ergebnis offen ist, ja wahrscheinlich der Prozess zugunsten der Rapper ausgehen müsste. Dieser rechtlich naheliegende Ausgang aber wäre fatal, genauso fatal allerdings wie das umgekehrte Ergebnis. Denn was ein Verbots-Urteil tatsächlich für die Kunstfreiheit, ein im Grundgesetz bewusst nicht unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt stehendes und deshalb sehr weitgehendes Grundrecht, an anderer Stelle bedeuten würde, ist kaum zu ermessen.

Insofern ist auch davor zu warnen, jetzt die Verleihung des Echos an Kollegha und Farid Bang zum Anlass zu nehmen, eine Debatte über die Grenzen der Kunstfreiheit unnötigerweise zu beginnen. Dabei können nur viele verlieren, die Freiheit der Kunst allen voran, und gewinnen vor allem die Rapper, denen man eine aufwertende und deshalb falsche öffentliche Aufmerksamkeit zuteil werden ließe. Davon hatten sie durch die Preisverleihung schon zu viel.

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