Theater und Streaming, eine praktische und rechtliche Betrachtung

Seitdem wegen des Corona-Virus die Theater geschlossen sind, ist dort das Streaming-Fieber ausgebrochen. Viele Betriebe greifen zurück auf die im Archiv lagernden Konserven, einzelne Bühnen bieten schon Premieren im Netz an, andere veranstalten Lesungen oder Konzerte und verbreiten diese über das Internet. Hatten viele Häuser noch zuvor jegliche über die Werbetrailer hinausgehende Ausstrahlung von Produktionen auf ihrer Website oder auf Streaming-Plattformen abgelehnt, macht man nun aus der Not eine Tugend. Schon wird gefordert, solche jetzt sich entwickelnden Angebote sollten auch nach der Corona-Krise aufrecht erhalten bleiben. So stellt sich intensiver denn je die Frage, was beim Streaming – vor allem auch rechtlich – zu beachten ist.

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Es ist in einschlägigen Kreisen der Theater hierzulande zuletzt viel diskutiert worden, ob man das Internet für die Verbreitung von vollständigen Produktionen nutzen sollte. Die einen betonen den Livecharakter des Theaters und lehnen das ab. Andere sehen in einem Internetangebot eine sinnvolle Ergänzung dessen, was auf der Bühne passiert. Vor allem die Oper hat elektronische Angebote im Netz bereitgestellt, nachdem Einrichtungen wie die Metropolitan Opera in New York oder Covent Garden in London dazu übergegangen waren, einzelne Produktionen live in die Kinos zu übertragen. 

Die bisherigen Internetangebote

Nicht alles wurde bei solchen Angeboten richtig gemacht. Falsch war es aus meiner Sicht mit der Seite operavision.eu unterstützt von der Europäischen Union ein Portal aufzumachen, das Opernaufführungen aus verschiedenen Opernhäusern monatelang als Video-on-demand vorhält. Das stand nicht nur dem Livecharakter des Theaters diametral entgegen, sondern warf auch wegen der Länge der Nutzungszeit erhebliche urheberrechtliche Probleme auf. Ganz anders gestaltet sich deshalb das Video-Angebot im Netz etwa der Bayerischen Staatsoper in München. Dort wurden Vorstellungen gestreamt, also zur zeitgleichen Wahrnehmung durch den Zuschauer ausgestrahlt, und danach für die potentiellen Zuschauer aus anderen Zeitzonen der Welt die Produktion on demand zwar bereit gehalten, aber für nur kurze Zeit. So erhöhte man den Reiz des Zuschauers auf die gleich Weise wie bei den Bühnenangeboten, bei denen der Zuschauer weiß, dass er bald ins Theater muss, bevor die Vorstellung, die ihn interessiert, abgespielt ist.

Die Zukunft

Will man jetzt tatsächlich auch für die Zeit nach der Corona-Krise darüber nachdenken, das Streaming-Angebot von Theatern zu erhalten oder gar auszuweiten, wird man sich nicht nur an den oben dargestellten Überlegungen der Staatsoper München orientieren müssen. Vielmehr wird es spätestens dann erforderlich sein, für solche Angebote ein eigenes künstlerisches Konzept zu entwickeln. Zu einem solchen Konzept gehört natürlich das Bereitstellen bestimmter gezielt ausgesuchter Produktionen. Dazu gehört aber auch das Aufsetzen spezifischer Formate, die nur auf elektronischem Wege wahrgenommen werden können und so den Theaterbesucher als Ergänzung des Spielplans interessieren, etwa die Dokumentation des Entstehens einer Produktion oder gezielt als Video-Projekt gestaltete Theater-Installationen. Damit können zudem neue Publikumsschichten erschlossen und an das Theater gebunden werden. Jedenfalls macht das etwas wahllose Streaming, was jetzt verständlicherweise stattfindet und aus der Not geboren ist, dauerhaft wenig Sinn.

Einige Rechtsfragen

Man wäre heute sehr viel weiter, hätte es in dieser Krise leichter, hätte man nicht über Jahre versäumt, so ein elektronisches Angebot aufzubauen. Das gilt umso mehr, als sich bei der Präsentation von Theater im Netz eine ganze Reihe von rechtlichen Fragen stellt, die eigentlich vordem Streaming zu klären sind. Sie sind rundfunkrechtlicher und urheberrechtlicher Natur.

Das Rundfunkrecht

Sobald ein Veranstalter regelmäßig audiovisuelle Inhalte ins Internet stellt, kann es sich um Rundfunk (Hörfunk und/oder Fernsehen) handeln. Die Landesmedienanstalt NRW beispielsweise nennt auf ihrer Internetseite dafür folgende Voraussetzungen

  1. Es erfolgt ein Livestream, das heißt, dass der sendende Veranstalter den Stream  zu einem bestimmten Zeitpunkt im Internet verbreitet. Der Zuschauer sieht den Stream zeitgleich mit der Ausstrahlung.
  2. Der Stream im Internet ist nicht nur einer geschlossenen Nutzergruppe (etwa allen Theaterabonnenten) zugänglich. Auf die Anzahl der Zuschauer kommt es hingegen nicht an.
  3. Der Stream ist redaktionell bearbeitet. Dazu reichen schon verschiedene Kameraperspektiven, Schnitte oder einleitende bzw. begleitende Kommentare.
  4. Es wird regelmäßig oder nach einem verbreiteten Sendeplan gestreamt. Regelmäßigkeit ist schon gegeben, wenn zum Beispiel jeden ersten Sonntag im Monat ein Stream stattfindet. Von einem konkreten Sendeplan ist auszugehen, wenn bestimmte Streams zu angekündigten Zeiten stattfinden.

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, handelt es sich beim Streamen um Rundfunk, sodass bei der zuständigen Landesmedienanstalt des Bundeslandes gegen Entgelt ein Rundfunklizenz erworben werden muss.

Da die Landesmedienanstalten festgestellt haben, dass die durch das Corona-Virus verursachte Schließung von Theatern und Konzertsälen zu einer verstärkten Streaming-Aktivität in diesen Bereichen geführt hat, verzichten diese Anstalten zurzeit auf die Beantragung der Rundfunklizenz. Notwendig ist aber eine der zuständigen Landesmedienanstalt übermittelte Anzeige, in der Name und Adresse sowie die verantwortliche Person des streamenden Unternehmens, der Gegenstand des Streamings (Theatervorstellung, Lesung, Konzert, kleine Darbietungen einzelner Schauspieler) und die Art der technischen Herstellung (feste Kamera, mehrere Kameras, Handy-Videos) mitgeteilt werden muss. Sobald diese Mitteilung erfolgt, kann mit dem Streaming begonnen werden. 

Soll nun das Streamingangebot des Theaters nach Beendigung der Corona-Krise fortgesetzt werden, müsste eine Rundfunklizenz beantragt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der zurzeit geltende Rundfunkstaatsvertrag demnächst durch einen neuen Medienstaatsvertrag abgelöst werden soll. Dieser Vertrag wird bezogen auf das Streaming einige Erleichterungen bringen. Es ist aber zurzeit nicht abzusehen, wann dieser neue Medienstaatsvertrag in Kraft treten wird. 

Das Urheberrecht

Die zweite Hürde, die bei der Präsentation von audiovisuellen Inhalten im Internet rechtlich zu nehmen ist, ist das Urheberrecht. Ist ein dargebotenes Werk urheberrechtlich geschützt, braucht der Veranstalter für die bühnenmäßige Aufführung sowie ein Konzert das Nutzungsrecht am Aufführungsrecht des § 19 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz  (UrhG), für eine reine Lesung das Nutzungsrecht am Vortragsrecht des § 19 Abs. 1 UrhG. Wird eine Veranstaltung gestreamt, also zur zeitgleichen Wahrnehmung ausgestrahlt, geht es um das Senderrecht (§ 20 UrhG), wird sie im Internet für eine bestimmte Zeit derart vorgehalten, das die Nutzer sie zu einem jeweils von ihnen gewünschten Zeitpunkt ansehen oder anhören können, um das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG). Da in der Regel bei der elektronischen Verwertung immer auch eine Aufzeichnung entsteht, die verwendet werden kann, ist es schließlich erforderlich, das Nutzungsrecht am Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) zu erwerben. Das gilt erst recht, wenn man gezielt eine Aufzeichnung als ersten Schritt der elektronischen Verwertung herstellt. 

Aus der Tatsache, dass man als Veranstalter also ein Nutzungsrecht am Aufführungsrecht beispielsweise vom Bühnenverlag erworben hat, ist keinesfalls die Berechtigung der elektronischen Verwertung abzuleiten. Vielmehr müssen die genannten erforderlichen Rechte ausdrücklich zusätzlich vom Verlag erworben werden. Hinzu kommen die Rechte der ausübenden Künstler, also etwa von Schauspielern, Sängern, Tänzern, Musikern sowie anderer Beteiligter wie Bühnen- und Kostümbildner, Lightdesigner, Regisseure oder Dirigenten. Auch von ihnen benötigt der Veranstalter bei der Aufzeichnung, beim Streaming oder bei der öffentlichen Zugänglichmachung im Netz die oben genannten Rechte. 

Ist das Theater im Bühnenverein, ergibt sich dazu durchaus etwas aus den mit den Gewerkschaften vereinbarten Tarifverträgen bzw. aus der Vereinbarung mit dem Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage, soweit diese zur Anwendung gelangen.  Alle anderen Veranstalter müssen die Rechteabtretung mit den einzelnen Beteiligten vertraglich vereinbaren und nach § 32 UrhG auch eine angemessene Vergütung dafür zahlen.  Soll für die Rechte keine besondere Vergütung gezahlt werden, ist im Vertrag festzulegen, dass die Abtretung der maßgebenden oben genannten Rechte mit der ansonsten gezahlten Vergütung, etwa der bezahlten Gage, abgegolten ist. 

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