Raummiete und Corona-Krise

Zahlreiche kleine Kulturbetriebe, die durch die von den staatlichen Behörden wegen des Coronavirus getroffenen Anordnungen geschlossen sind, stehen vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen. Eines dieser Probleme besteht in der Zahlung der Miete, wenn der Geschäftsraum des Kulturbetriebes angemietet wurde. Betroffen sind vor allem private und freie Theater, Buchhandlungen, sozio-kulturelle Zentren und viele mehr. Für sie stellt sich die Frage, ob sie überhaupt zur uneingeschränkten Fortzahlung der Miete verpflichtet sind, wenn der gemietete Raum wegen der behördlichen Anordnung nicht mehr zu dem bei Abschluss des Mietvertrages vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Dazu ein paar juristische Hilfestellungen.

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Die Miete ist für viele Betriebe, auch private Kulturbetriebe oft ein hoher Kostenfaktor. Das gilt erst recht, wenn das jeweilige Geschäftslokal für das Theater, den Buchladen oder andere private Kulturunternehmen Innenstadtlage hat, was ja oft genug der Fall ist. Gerade in den letzten Jahren des starken wirtschaftlichen Aufschwungs stieg die Miete mancherorts überdurchschnittlich in eine zuweilen kaum vertretbare Größenordnung. Nun aber ist wegen des Coronavirus plötzlich alles geschlossen. Keine Veranstaltungen mehr,  kein Verkauf von Waren mehr, keine Einnahmen mehr. Das ist die bittere Realität für eine große Zahl von Betrieben.

Es ist zu hören, dass einige Vermieter schon bereit sind, auf die Miete für eine gewisse Zeit ganz oder teilweise zu verzichten. Zugleich plant die Bundesregierung ein Gesetz, dem entsprechend auch bei der Anmietung von gewerblich genutzten Räumen vorerst keine Kündigung des Mietvertrags ausgesprochen werden darf, wenn wegen der Corona-Krise der Betrieb geschlossen werden musste und deshalb die Miete nicht mehr gezahlt werden kann.  Zudem soll es öffentliche Finanzmittel geben, die die Zahlung der Miete in solchen Fällen ermöglichen. Das alles ist ja schon einmal ein Ansatz. Doch die Frage ist, ob in der jetzt bei vielen Betrieben eingetretenen Situation die Rechtsordnung nicht ohnehin eine Lösung vorgesehen hat. Die Antwort lautet: Hat sie!

Die gesetzliche Vorschrift

Ausgangspunkt ist der § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der spricht von einer Störung der Geschäftsgrundlage. Absatz 1 dieser Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

„Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“

Hinzu kommt Absatz 2:

„Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.“

Das Betreiben eines Theaters oder eines Buchgeschäfts als Geschäftsgrundlage

Nun können wir dahinstehen lassen, ob die Schließung des Theaters oder des Buchgeschäftes wegen des Coronavirus unter den Absatz 1 („wesentliche Umstände“) oder Absatz 2 („wesentliche Vorstellungen“) fällt. Jedenfalls war Geschäftsgrundlage des Mietvertrags, dass in der gemieteten Immobilie ein bestimmter Betrieb unterhalten werden kann und soll. Das war auch mehr als die einseitige Erwartung des Mieters, vor allem wenn es sich um einen Theaterraum handelt. Beide Vertragsparteien gehen vielmehr gemeinsam davon aus, dass ein Theaterraum grundsätzlich als solcher genutzt werden kann. Beim Buchgeschäft beispielsweise ist mindestens Geschäftsgrundlage, dass das Betreiben eines Geschäftes erlaubt ist; meist wird auch besprochen sein, um welches Geschäft es sich handelt.

Die schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage

Diese Geschäftsgrundlage muss sich „schwerwiegend verändert“ haben. Eine solche schwerwiegende Veränderung ist es selbstverständlich, wenn das Unterhalten des in Aussicht genommenen Betriebs auf Grund einer behördlichen Anordnung untersagt wird. Das ist allerdings im Sinne der Störung der Geschäftsgrundlage nur dann relevant, wenn die Störung nicht dem Risikobereich eines Vertragspartners zuzuordnen ist. Dem Risikobereich des Mieters wäre die Schließung des Betriebes etwa dann zuzuordnen, wenn sie auf ein Fehlverhalten seinerseits zurückzuführen wäre. Das wäre etwa im Gaststättenbereich bei Nichteinhaltung  bestimmter Hygienevorschriften oder im Theater bei Nichteinhaltung bestimmter Sicherheitsauflagen der Fall. Wäre letzteres allerdings auf bauliche Mängel zurückzuführen, dann liegt die Schließung des Betriebs im Risikobereich des Vermieters, was zwar aus anderen Gründen zum Wegfall der Miete aber nicht zur Anwendung des § 313 BGB führen würde.

Zumutbarkeit und Vertragsanpassung

Kommt es wie jetzt zu einer weitgehenden, generellen Schließung von Betrieben wegen des Coronavirus, dann aber ist die Veränderung der Geschäftsgrundlage keiner Vertragspartei anzulasten. Das wiederum führt bei der Anwendung von § 313 BGB zu der Überlegung, ob dem Mieter trotzdem die volle Zahlung der Miete zugemutet werden kann. Mit Rücksicht auf den vollständigen Wegfall der Einnahmen und der Tatsache, dass im Fall des Coronavirus die Schließung rein vorsorglich zur Vorbeugung einer vermuteten Risikolage erfolgt, ist das zu verneinen. Angesichts dessen ist auch davon auszugehen, dass beide Vertragspartner den Vertrag nicht ohne ein Regelung der Mietzahlung für den Fall einer solchen vorsorglichen Schließung abgeschlossen hätten. Und keinesfalls wäre bei verständigen Vertragspartnern die Regelung eine uneingeschränkte Fortzahlung der Miete gewesen.

Dies bedeutet, dass der Mieter im Fall der durch das Coronavirus verfügten Schließung des Betriebs eine Anpassung des Vertrags, hier der Mietzahlung verlangen kann. Dazu ist eine umfassende Interessensabwägung erforderlich. Hier können auch zeitliche Überlegungen einfließen. Man wird zumindest bei finanziell stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters wohl zu folgendem Ergebnis kommen können: Im ersten Monat der Schließung bleibt die Mietzahlung unverändert, im zweiten und dritten Monat wird sie halbiert, ab dem vierten Monat der Schließung erfolgen weitere Kürzungen bis hin zum kompletten Wegfall der Miete.

Verhandlungen mit dem Vermieter und Kündigung

Vorsorglich sei noch auf Folgendes hingewiesen: Das sind allgemein gehaltenen juristische Überlegungen. Im Einzelfall wäre es erforderlich, auch den konkreten Mietvertrag einer genauen Prüfung zu unterziehen. Jedenfalls kann nicht empfohlen werden, die Miete einfach wegen der Störung der Geschäftsgrundlage zu kürzen. Vielmehr ist es naheliegend, mit dem Vermieter zu verhandeln und in diese Verhandlungen deutlich die Störung der Geschäftsgrundlage einzuführen.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass Absatz 3 des § 313 BGB sogar die Kündigung des Mietvertrags wegen der Störung der Geschäftsgrundlage vorsieht, aber nur dann wenn die oben dargestellte Anpassung des Mietvertrags nicht möglich oder einem Vertragspartner nicht zumutbar ist. Ob eine dieser Voraussetzung gegeben ist, bedarf einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls.

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